"Die Kinder sind da!"

Es ist Sonntag - wir schreiben den 5. Juli 1987.
Heute sollen unsere Kinder aus den BUNA-Werken, aus Halle und den anderen Betriebsteilen zu uns nach Friedrichsbrunn anreisen. Über Lautsprecher wird uns mitgeteilt, sobald die Sonderbusse oben am Parkplatz angekommen sind, so dass wir zügig den Berg hochtraben um die Kinder in Empfang zu nehmen.

Die Jungs meiner Gruppe kommen alle gleichzeitig an - bis auf einen, der aus einem anderen Betriebsteil erst später hier eintreffen soll.
Für die Kinder stellte sich die Anreise so dar: (Anklicken zum Vergrößern)


Wir führen die Kinder zu unseren Bungalows. Manche müssen sich mit ihren Koffern ganz schön abschleppen - aber es geht ja bergab hinunter ins Lager...

Während sich die Jungs in unseren Bungalows einrichten, die Bettenbelegung "klar machen" und ihre Sachen auspacken, bekomme ich die Mitteilung, dass nun auch der letzte Bus oben angekommen ist. Also latsche ich wieder den Berg hinauf und nehme den letzten Jungen meiner Gruppe in Empfang. "Ist der wirklich schon 12???" Ein zierliches Jungchen, etwas scheu dreinblickend steht vor mir.

"Na dann nimm' mal Deinen Koffer und komm' mit!" fordere ich ihn auf - und ernte dafür ein fragendes Gesicht. "Gepäck? Ich habe doch gar nichts mit?"
Häää? Haben doch tatsächlich seine Eltern den Jungen ohne jeglichen Gepäck ins Ferienlager geschickt? Keine Wäsche, kein Waschzeug - nichts dabei! Nur das was er am Leibe trägt.
Na das kann ja heiter werden!

Als wir am nächsten Tag einen Bummel durch Friedrichsbrunn machen um den Ort ein wenig kennenzulernen, kaufen Frank und ich ihm erst einmal eine Grundausstattung - und legen das Geld dafür aus.
(Einige Tage später werde ich ihm auch noch ein paar neue Schuhe kaufen müssen, weil er beim Wasserräder-Schnitzen mit seinem einzigen Paar Schuhe im Bach steht, worauf sich selbige sehr bald von ihren Sohlen verabschieden.)

Immerhin - die Quittungen für die gekauften Sachen gebe ich in der Lagerleitung ab. Etwa eine Woche später bekomme ich meine Auslagen erstattet - man sagt, das Geld wird den Eltern gleich vom Lohn abgezogen. So ging das damals im Sozialismus.

Ich habe den Jungen noch heute in Erinnerung - ein netter Junge und ein bedauernswertes, armes Kind. Was wird wohl aus ihm geworden sein?